1949

Die frühesten Erinnerungen führen mich in eine grosse, helle Wohnung in St.Gallen an der Neugasse - alles war gross, nicht zuletzt mein Vater, der mit einem Schritt das Laufgitter überwinden konnte. Ich war begeistert und begann bald zu klettern. Während mein Vater als Angestellter die Schweiz bereiste, modellierte meine Mutter in der Küche und vergass darüber ihren Hausfrauenalltag.

1952

Zürich wird meine Heimat, Unterstrasse mit seinen vielen Hinterhöfen und Arbeiterwohnungen mein Tummelfeld. Die Schule erlebe ich von Beginn weg als Zwang und Schikane bis hin zum Eintritt in die Kunstgewerbeschule. Dann verschwinden schlagartig alle Schatten und Schule macht nun Sinn.

1966

Im Vorkurs lerne ich zeichnen und im Umfeld der Kunstgewerbeschule jene wirklich spannenden Menschen kennen, die mir die Augen öffnen und etwas Licht in mein verdüstertes Weltbild tragen.

1967

Während der Ausbildung zum Grafiker beginne ich zu malen. Im Atelier arbeitet ein junger Angestellter mit dem ich die Liebe zur Musik und zur Literatur teile. Er entfacht meine Leidenschaft für die Kunst. Ich schlüpfe mit seiner Hilfe aus meiner engen, kleinen Welt und beginne über die grössere Welt nachzudenken.

1972

Am Ende der Lehrzeit bin ich soweit mich mit gutem Gewissen von der Werbegrafik zu verabschieden. Ich reise nach Marokko, im Kopf die Aquarelle der Tunisreise von Klee, Macke und Moillet und im Schlepptau eine Begleiterin. Zwei Monate Orient werden zur Offenbarung. Ich möchte mehr davon, aber alleine: Indien auf dem Landweg mit einem längeren Aufenthalt in Griechenland.

1973

Nach Jahresfrist beende ich mein Indien-Abenteuer. Die letzte Etappe fahre ich mit dem bequemen Orient Express von Istanbul nach Hause. In Zürich öffnen die Reiseskizzen mir die Türe zur Zeichenlehrerklasse. Es folgen vier Jahre des Pendelns zwischen Herostrasse, Bananenzentrale und Konradshof - den verschiedenen Dependancen der Kunstgewerbeschule. Es war die Zeit der ununterbrochenen Beschäftigung mit sich selbst, der Kunst und einer inspirierten Gruppe Gleichgesinnter.

1976

Im Frühjahr stehe ich zum ersten Mal alleine vor einer Schulklasse. Eine Mädchenklasse, die überaus grosszügig über alle meine Unsicherheiten hinwegsieht. Die Zweifel an meiner Berufswahl schmelzen wie Schnee an der Sonne und die anfängliche Scheu beim Betreten des ehrwürdigen Bildungstempels verflüchtigt sich bald.

1978

Ein paar Lektionen am Gymnasium in Winterthur, eine kleine Wohnung in der nahen Altstadt und viel Zeit für Musik und die Kunst. Radierungen mit expressiv-phantastischer Thematik entstehen und wechseln ab mit fotorealistischen Farbstudien. Ein Gefühl von Freiheit und atemberaubenden Möglichkeiten begleitet mich durch diese ersten Jahre nach Abschluss der Ausbildung.

1981

Mein zweiter Junge kommt zur Welt. Ich verbringe die Tage mit Windeln wechseln, Bilder malen und reduzierter Unterrichtstätigkeit in Winterthur. Um das alles abzurunden, unternehme ich exzessive Velotouren und berausche mich an den Landschaften im Sihltal und auf dem Hirzel.

1984

Dann träume ich vom Ausstieg und von einer Wiederbelebung der klassischen Landschaftsmalerei. Ein jähriger Aufenthalt mit meiner kleinen Familie in Andalusien und in der Toskana endet mit der Einsicht, dass von der Malerei allein nicht zu leben ist.

1986

Die Schule fordert mich, Pensen und Fachbereich werden erweitert, die familiären Pflichten mehren sich. Medienkunde heisst ein neues Fach und bietet Gelegenheit Filmarbeit in den Unterricht zu integrieren. Die Mittel sind bescheiden, die Ergebnisse nicht weniger, doch Schüler wie Lehrer sind motiviert und glücklich.

1988

Als Lehrbeauftragter gehöre ich zur Manövriermasse. Ein paar Lektionen hier, ein Kurs dort, eine Vertretung an der Volksschule, Privatstunden und eine Weiterbildung für Primarlehrkräfte. Ich bereite mich vor und reise herum - bald durch die halbe Schweiz wie mein Vater - und zeige wie man malt und andere zum malen bringt. In den Ferien hantiere ich mit dem Pickel und der Maurerkelle in der Toskana.

1993

Während einem Urlaub in Italien entsteht eine Reihe grossformatiger Bilder mit figürlich-fantastischen Motiven. Angeregt von romanischen und frühgotischen Figuren suche ich nach einem Ausdruck für innere Bilder. Sie knüpfen an die früher entstandenen Hinterglasmalereien an. Für drei lange Monate rückt Schule und Familie fast vollständig in den Hintergrund.

1996

Nach zwanzig Jahren als Lehrbeauftragter krönt die Erziehungsdirektion meine Lehrerkarriere mit dem Prädikat "Hauptlehrer". Gemeint ist nicht "hauptsächlich Lehrer" sondern ausschliesslich Lehrer, verbunden mit einschneidenden Abstrichen an der eigenen Kunstpraxis.

2002

Im Unterricht lenke ich die Aufmerksamkeit vermehrt auf den gesellschaftlichen Kontext der Kunst, auf die Kunstschaffenden selbst in ihrem jeweiligen Epochenverständnis und auf die direkte Begegnung mit den Kunstwerken. Daraus entwickelt sich das dringende Bedürfnis mich im Rahmen einer ausgedehnten Weiterbildungsreise durch die europäische Museumslandschaft mit ausgewählten Werken vertraut zu machen. Ich streife zusammen mit meinem langjährigen Freund während Wochen und Monaten durch eine Unzahl von Museumsräumen und Galerien. Um die flüchtigen Eindrücke festzuhalten und unsere Gedanken zu vertiefen, tauschen wir uns aus in ausführlichen Gesprächen und über Dutzende von kleinformatigen Zeichnungen. Das Ergebnis dieser Reise findet ihren Niederschlag in einer ausführlichen schriftlichen Dokumentation mit dem Titel BILDERREISE - REISEBILDER von der hier ein Teil wiedergegeben ist, zusammen mit den zeitgleich entstandenen Stadt- und Landschaftsskizzen.

2004

Die Sparmassnahmen bedrängen mein Unterrichtsfach. Weniger Lektionen, grössere Klassen, Abschaffung der Vorbereitungsstufe an der Kunstgewerbe-schule, die nun als Hochschule unter die Ägide des Kantons gerät und die fiskalischen Daumenschrauben zu spüren bekommt. Um- und abgebaut wird auch in der Lehrerbildung und Lehrerweiterbildung mit fatalen Auswirkungen für meinen Fachbereich. Während sich die Vertreter der musikalischen Bildung zu Wehr setzen, liegt unser Berufsverband in den letzten Zügen. Das Unterrichtsfach Bildnerische Gestaltung ist auf schulpolitischer Ebene inexistent. In dieser Krisensituation setze ich mich mit ein paar engagierten Kollegen zusammen und wir beschliessen zu handeln. Der Nationale Verband wird reanimiert, die vakante Stelle im Gymnasiallehrerverein besetzt, Fäden zum Lehrer-Dachverband geknüpft und ein Kommunikationsnetz aufgezogen, das den Mitgliedern die prekären Tatsachen vor Augen hält und gleichzeitig Hoffnung auf Besserung macht. Zeichnung und Malerei fristen nun eine Randexistenz. Nur der Skizzenblock bleibt im Notgepäck greifbar.

2008

Die Aktivitäten des LBG Schweiz tragen Früchte. Wir werden wahrgenommen, sowohl von Mitgliederseite, wie auch auf Erziehungsebene. Vor allem das Zusammenwirken mit anderen betroffenen Vereinen und Verbänden trägt dazu bei, dass unsere Präsenz gerne gesehen wird. Mit unserem Berufsverband ist zu rechnen, sei es bei der Harmonisierung der Lehrpläne, der Lehrerbildung, den Sparmassnahmen im Steuerwettbewerb der Kantone, bei Lohnforderungen und im Rahmen der von uns organisierten Weiterbildungen.
Die 2002 während meiner Urlaubsreise gemachten Erfahrungen im Bereich der Kunst beleben den Unterricht. Sie sind zusammen mit meiner zeichnerischen Praxis Stütze und Inspirationsquelle im Schulalltag.

2010

Das eigene Atelier und die Reduktion meiner Unterrichtstätigkeit ermöglichen mir den Einstieg in die Arbeit an den Bildnissen - den dreidimensionale Portraits von Freunden und Bekannten. Das Handwerk der Gusstechnik aber konfrontiert mich recht rüde mit den Mühen des Plastikers.

2011

Nach 35 Jahren verabschiede ich mich vom Lehrerberuf. Die Schule, als Kind lange mein Feindbild, begegnete ihrem Mitarbeiter mit Offenheit und Zustimmung. Interessiert an neuen Ideen, konnte ich immer mit grossen Freiräumen rechnen. Sie ermöglichte mir Autonomie und ehrte mich mit ihrem Vertrauen. Ihre unausgesprochenen Forderungen hielten mich wach und lernfähig. Dafür bin ich dankbar und bleibe ihr verbunden.

2012

Indien - 40 Jahre später. Noch einmal muss ich es sehen, das farbige Chaos, die wilde Hektik, die üppige Natur, das Pantheon der Götter, die Pilger und die Heiligen. Und ich habe etwas nachzuholen, dem ich 1972 in der Flut der Eindrücke noch nicht gewachsen war: Die Aufzeichnung des Geschehens im wörtlichen Sinn.

2014

Präsentation der Zeichnungen, Skizzen und dreidimensionalen Portraits als Webseite. Im Blick zurück veranschaulicht die Sammlung einen Teil meiner Tätigkeiten, fassbar als eine Spur zu mir selbst, getrieben von Neugierde gegenüber der Welt der Erscheinungen. Die Tätigkeit des Zeichnens hat mich über die vergangenen Jahre wach gehalten, hat meine Aufmerksamkeit geschärft und mir für das augenblickliche Geschehen die Augen geöffnet. Im Geflecht der Linien wird meine Betroffenheit sichtbar vor der Vollkommenheit der Erscheinungen, der Wesen und Dinge. Zeichnen bedeutet mir auch immer wieder ein Wagnis. Das Wagnis zu Scheitern ist Teil der Tätigkeit.

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