Bilderreisen

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Frankfurt - Städelsches Kunstinstitut und Städelsche Galerie

2002

Museumsreisen mit dem Skizzenbuch

Gustave Courbet, 1819-1877
Die Woge, 1869/70

Ein Streifen düsteres Gewölk aus dem der Tag entschwindet und ein Ozean, der sich von der Tiefe des Horizonts bis zum Vordergrund ausdehnt. Unruhig tanzend nähern sich die Wellen dem Ufer, um mit ihrer dunklen Masse die Steine zu ertränken. Blaugrün schimmernd wie ein Smaragd schickt das Meer seine weissen Vorboten, die sich schäumend über die Felsen wälzen. Mit ihrem Kamm verdeckt die brechende Woge schon den Horizont und überragt des Betrachters Grösse. Am Himmel türmen sich in blass-violettem Licht die Wolken und am Horizont zerrinnt der Tag im letzten fahlgelben Glanz.
Courbet liebte das Meer, wusste um seine Kraft und Grösse. Aber er malte es auch anders, hell und weit vor blauem Himmel mit dem flachen Kiesstrand und den Felsendomen der Normandie: «la falaise d’Étretat après l’orage», 1869 (Musée d’Orsay). Doch hier ist die See düster, schwer und verschlingend. Wie schwarze Zahnstummel greifen die Felsen in den Schaum, während schon die nächste Welle, in unermüdlichem Kampf gegen das Feste, sich auftürmt, um es endlich zu zerschlagen.

Jan Vermeer van Delft, 1632-1675
Der Geograph, um 1668

Es lässt sich nicht leicht ergründen, was an Vermeers Bildern den Eindruck von ruhiger Harmonie und atmosphärischer Einheit ausmacht. Verschiedene Elemente wirken zusammen und verbinden sich zu einem Bildorganismus, der in Teile zerlegt, die starken Empfindungen vor dem Original allein nicht erklärt. In allen späteren Bildern Vermeers, zu denen auch der Geograph gehört, zeigt sich ein ähnlicher Kompositionstypus. Er lässt sich an vier Beispielen beobachten: Junge Dame mit Perlenhalsband (Berlin, Staatliche Museen), der Geograph (Frankfurt a. M., Städelsches Kunstinstitut), der Astronom (Paris, Louvre) und die Malkunst (Wien, Kunsthistorisches Museum). Allen vier Darstellungen ist das bürgerliche Interieur gemeinsam mit einem einzelnen Menschen an zentraler Stelle oder, beim Wiener Bild, noch ergänzt durch den Maler als Rückenfigur. Dieser ist es, der uns den Prozess der Bildentstehung verfolgen lässt, uns beim Blick über seine Schultern in den Bildraum einbindet. Der Betrachter wird damit zum Zeugen eines inspirierten Augenblicks.

Bei allen vier Werken liegt der linke Bildbereich im Schatten. Von diesem Ort aus, der auch in einem angrenzenden Raum liegen könnte, blickt man in die vom Tageslicht beleuchtete Szene. Durch die Repoussoir-Wirkung des Vorhangs erfüllt der abgedunkelte Vordergrund eine Doppelfunktion: er wirkt als raumbildendes Element und er enthüllt dem Betrachter die Sicht auf das Private und Persönliche des beobachteten Menschen. Die Gegenstände im Halbdunkeln, der Stoff, der Vorhang, Tisch oder Stuhl, bilden eine Brücke von hier nach dort, vom Vorder-grund in die geheimnisvolle Mitte, wo die einzelne Gestalt im hellen Licht steht.

Wir erkennen mehr als nur die fein geordnete, stilllebenhafte Dingwelt, mit denen diese Menschen im Zwiegespräch stehen und die mit ihren Gedanken verknüpft sind. Vermeer vermittelt uns eine Betroffenheit, die aus ihrem Innersten dringt. Ob es das Mädchen ist, das sich mit dem Perlenschmuck im Spiegel betrachtet, der Geograph, der eine Karte studiert oder der Astronom vor seinem Himmelsglobus – stets sind all diese Menschen mit sich selbst im Dialog und Eins mit ihren Träumen, ihren Gedanken, oder ihrer Erkenntnis. Im Wiener Bild wendet sich das Mädchen dem Maler zu. In diesem Moment verwandelt sich ihre Gestalt zu einem Ausdruck von vollendeter Schönheit. Primär ist sie – so will es der Auftrag – Klio, die Muse der Geschichte und steht für die Allegorie der Malerei und ihre bedeutendste Gattung, das Historienbild. Auf der Ebene des Persönlichen jedoch, an der Vermeer uns ebenfalls teilnehmen lässt, dort verdichtet sich der Moment des Sich-selbst-Seins in der Strahlkraft jugendlicher Blüte.

Der Geograph neigt sich über seine Karte. Er hält sein Messinstrument in die Höhe und blickt auf, scheint in sich hinein zu horchen. Für einen Augenblick ist der Betrachter in die Gedankenwelt des Forschenden mit einbezogen.

Vermeer verwendet eine helle, eher kühle Farbigkeit, ein leuchtendes Gelb, Rot und Blau. Licht durchdringt alle seine Kompositionen, die auf einem äusserst genauen perspektivischen Plan beruhen. Vereinzelt lassen sich Konstruktionslinien erkennen, die durch die dünne Farbhaut dringen.

Jean-Baptiste-Siméon Chardin, 1699-1779
Stillleben mit Rebhuhn und Birne, 1748

Bei Chardin gewinnt das kühle, silbrige Licht annähernd eine stoffliche Qualität. In seinen späteren Werken liebt der von Diderot bewunderte Maler das bescheidene Format und die Einfachheit. Er vermeidet einen oberflächlichen Naturalismus und misst der Gliederung und Gruppierung der Dinge auf der Leinwand grosse Bedeutung zu. Chardin beobachtet die Eigenschaften der Erscheinungsfarbe im Licht und im Halbschatten. Die Gegenüberstellung des Lebendigen und des Toten in der frischen Farbe der Frucht und den verblassenden Brauntönen am Federkleid des Vogels bestimmt den Inhalt dieser malerischen Kostbarkeit.

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