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Museumsreisen mit dem Skizzenbuch

Rembrandt Harmensz van Rijn, 1606-1669
Bethsabée au bain, 1654

Das Bildmotiv "Bathseba im Bad" taucht schon im 15. Jahrhundert in verschiedenen Gemälden auf und war auch zur Zeit Rembrandts ein beliebtes Thema der Malerei. Seine Darstellung galt weniger der Befriedigung erotischer Schaulust, wie es damals die meisten Abbildungen des nackten weiblichen Körpers bezweckten, vielmehr nahm Rembrandt das bekannte Thema aus dem alten Testament zum Anlass für ein intimes Porträt seiner Lebensgefährtin Hendrickje Stoffels, deren Wesen und Charakter er auch in anderen Gemälden auf höchst einfühlsame Weise schildert.

Ein Portrait also im Gewand eines Historienbildes, jenem Gegenstand der Malerei, der bekanntlich im Werk Rembrandts den Hauptanteil neben den Bildnissen ausmacht. Die Historie "war in jener Zeit alles, was über das bloss Gegenwärtige, Natürliche, Menschliche hinaus etwas bedeutete – alles Bedeutende, alle Bedeutung." (E.Hubala nach K.Bauch; Propyläen, 17.Jh. S.56) Was uns Rembrandt erzählt, hat den Charakter eines bewegenden Ereignisses. Seine Schilderung konzentriert sich auf die seelische Reaktion der jungen Frau, welche die Einladung Davids als Aufforderung zum Ehebruch begreift.

Bathseba bleibt mit ihrem Wissen allein. Diskret ist die Schriftseite der Nachricht nach unten gewendet, dem Blick der alten Dienerin entzogen. Deren Gestalt versinkt im Schatten; als Bezugsperson ist sie ohne Gewicht und darauf beschränkt die Füsse ihrer Herrin zu trocknen. Im Wesentlichen verstehen wir Bathseba als Einzelfigur, auch wenn Rembrandt das Motiv der Lebensalter ins Spiel bringt, den Menschen in der Zeit, in seiner Vergänglichkeit andeutet und ein Merkmal des Übergangs schafft. Was Rembrandt jedoch hervorhebt ist der versonnene Zug des ins Profil gewendeten Gesichts; die Nachdenklichkeit mit der die junge Frau sich zur Dienerin wendet und dabei nach Innen blickt. Ihr Verhalten ruft unsere Teilnahme hervor und wir ahnen hinter Bathsebas Schicksals-ergebenheit ihre Einsamkeit und Trauer.

Rembrandts künstlerische Form, mit der er den geistigen Gehalt der Geschichte offenlegt, ist das Licht und der Raum. Aus der tiefen Dunkelheit eines in seiner Ausdehnung unbestimmten Gemachs hebt warmes Licht die entkleidete Gestalt der jungen Frau hervor. Ihre Haut schimmert in warmen Tönen und entfaltet ein reiches Kolorit, dessen Farbklänge zwischen dem gebrochenen Gold des Bett-überwurfs und dem hellen Klang des weissen Tuches vom Kalten ins Warme wechselt. Die fleischliche Schwere des nackten Körpers steht im Gegensatz zum empfindsamen, vergeistigten Gesichtsausdruck, wo Ergebenheit und leise Trauer anklingen. Der Schmuck ihres Haares und kostbares Gepränge umrahmen ihr Antlitz und die Farbkraft der Pigmente überträgt sich auf die Stofflichkeit der ganzen Erscheinung. In der entspannten und aufrechten Haltung liegt Selbst-bewusstsein und Anmut, aber auch Verletzlichkeit gepaart mit dem Wissen der eigenen Schwäche gegenüber dem Schicksal.

Die Stellung des Körpers, der Körperglieder und die Blickrichtung folgen einer streng geordneten Bildgeometrie aus senkrechten, horizontalen und diagonalen Richtungen. Vom rechten Vordergrund führt eine Raumdiagonale in die Tiefe und nimmt die Drehung des Körpers aus der Seitenansicht auf.

Georges de la Tour, 1593-1652
Magdalena als Büsserin oder Magdalena mit dem Nachtlicht, um 1640/45

Georges de la Tour zeigt Magdalena in sitzender Haltung, den Oberkörper dem Betrachter zugewandt, das Gesicht im Profil und vom Licht einer Öllampe beleuchtet. Mit nachdenklicher Geste, den Kopf auf die Hand gestützt, blickt sie über den Tisch auf dem verschiedene Gegenstände lagern: zwei Bücher, ein Holzkruzifix, eine Geissel und ein Öllicht. Ihre Gestalt, umhüllt von warmer Dunkelheit, zeigt sich in klarer plastischer Form, einer lebendigen Statue gleich. Ihre rechte Hand ruht auf einem menschlichen Schädel, der auf ihrem Schoss aufliegt. Die entblösste Schulter deutet die Selbstgeisselung der Büsserin an, die unbewegt in Schweigsamkeit zu verharren scheint.

Die Dualität von Licht und Schatten bestimmt die klare Anordnung der Bildteile. Die hohe Flamme schneidet in das Dunkel des Raums und ihrem Licht antworten alle Reflexe, gefiltert durch Farbe und Stofflichkeit. Die Beleuchtung ordnet, klärt den Bildsinn, hebt hervor und vereinfacht. Alle Dinge, die im Umkreis des Lichts stehen, tragen auch eine symbolische Bedeutung: Die Bücher und die Öllampe stehen für die Erkenntnis des Glaubens, das Kreuz für den Opfertod Christi, die Geissel weist auf Sünde und deren Sühne, der Schädel auf die Vergänglichkeit. Magdalena richtet sich nach dem Licht und dem Glauben. Ihre Hand ergreift das Memento mori und damit die Gewissheit über das Vergängliche des irdischen Daseins.

La Tours formale Strenge im Bildaufbau, die Einfachheit der plastischen Volumen und sein Verzicht auf schmückende Details formen die mystische Atmosphäre seiner Bilder. Er lebte zurückgezogen in Lunéville in Lothringen, das er von 1621 bis zu seinem Tod nicht mehr verlassen hat. In grosser Unabhängigkeit und im Abstand zur Malerei seiner Zeit entwickelte er sich parallel zu den Wegen der grossen europäischen Maler.

Quentin Metsys, 1465/66-1530
Der Geldwechsler und seine Frau, 1514

Die Darstellung des Geldwechslerpaars geht auf einen älteren Bildtypus zurück, den vermutlich Jan van Eyck begründet hat. Dieses verlorene Gemälde – datiert mit der Jahreszahl 1440 – wurde im 16. Jahrhundert beschrieben und zeigt einen Kaufmann bei der Ausübung seines Berufes. Auftragsbilder waren auch "die Lukas Madonna" von Rogier van der Weyden und "der heilige Eligius" von Petrus Christus, die in den Kapellen die Gilde der Maler- und Goldschmiede repräsen-tierten. Ihr Zweck war, “die Herstellung der kostbaren Luxusprodukte unter den Auspizien des Zunftheiligen zu legitimieren.“ (Belting, Kruse. Die Erfindung des Gemäldes, München 1994, S.156). Den Autoren Belting/Kruse fällt auf, dass die kostbaren Trompe l’œils auf der Ladentheke und die Stillleben im Regal Zitate aus Bildern älterer Kollegen des Malers sind.

Im Vordergrund des Gemäldes von Metsys steht die berufliche Aktivität des Händlers. Er ist im Begriff mit einer Handwaage den Materialwert von Münzen zu wiegen und folgt der Tätigkeit seiner Hände mit konzentriertem Blick. Seine Gemahlin ergreift eine Seite des vor ihr liegenden Stundenbuchs und scheint die Handlung ihres Mannes mit einem seltsam schwermütigen Blick zu beobachten. Doch ihr Sinnen ist nach Innen gerichtet und mit dem Andachtsbuch verbunden. Sie ergänzt die weltliche Tätigkeit des Mannes mit christlicher Kontemplation und verbindet den Glauben mit der Rolle des Händlers. Die Gegenwart der Gottes-mutter mit Kind, als Bild im Bild, legitimiert eine berufliche Tätigkeit, die lange Zeit mit dem Makel des Wuchers verbunden war – sie gibt dem Geldhandel die christliche Weihe.

Die Waage befindet sich im Gleichgewicht und verbildlicht die Inschrift auf dem verlorenen Originalrahmen: “Statura justa et aequa sint pondera“. Metsys Aufruf zur Ehrlichkeit ist an die Zeitgenossen gerichtet und fordert, dass die Waage gerichtet und die Gewichte gleich sein sollten. Er zitiert nicht nur Einzelheiten aus älteren Bildern und verwendet einen Bildtypus der ersten niederländischen Malergeneration, sondern zeigt das Händlerpaar auch in altmodischer Bekleidung, um damit an die Vorbildlichkeit der Kaufmannszunft in ihrer Vergangenheit zu erinnern. Für Belting/Kruse ist das Bild eine Hommage an die Kunst der ersten niederländischen Malergeneration und stellt die Kaufmannsgilde dieser Zeit als vorbildlich dar.

Im Vordergrund wird der Raum durch einen Konvexspiegel erweitert. Darin erscheint die Ansicht des Zimmers, in dem sich der Betrachter befindet, respektive sich der Maler selbst befunden haben musste. Gespiegelt wird ausserdem ein Fenster durch welches eine Hausfassade und hinter Bäumen ein Kirchturm sichtbar wird. Das Aussenlicht fällt im oberen Teil durch bleigefasste farbige Glasscheiben. Eine Gestalt in bürgerlicher Kleidung liest in einem Buch und weist mit einer Gebärde auf die Kirche. Deutlich zeichnet sich das Fensterkreuz vor dem hellen Himmel ab und suggeriert das christliche Glaubenssymbol. Das bedeu-tungsreiche Bildelement des Spiegels ist Teil der Illusionskunst dieser Zeit, die uns die Wirklichkeit umfassend und mit dem Anspruch des Ganzheitlichen vor Augen führen möchte. Dazu gehört der Versuch, den Betrachter mit in das Bild aufzunehmen und ihn zum Bestandteil der Bildwirklichkeit zu machen.

Über dem Kopf des Geldwechslers fällt eine runde Frucht mit rötlicher Farbe auf. Sie erinnert an die verbotene Frucht und an den Sündenfall. Metsys schuf mit dem Geldwechslerpaar ein Gemälde von grosser malerischer Dichte, das mit seinem feinst ausgeführten Detailreichtum an die grossen Vorbilder anknüpft. Der Darstellung menschlicher Nähe und Zusammengehörigkeit wird ebensoviel Gewicht eingeräumt, wie der sinnreich vermittelten moralischen Botschaft.

Camille Corot, 1796-1875
Die Brücke von Narni, 1826

Die Studie ist direkt vor dem Motiv entstanden und gibt Aufschluss über Corots Maltechnik und den malerischen Prozess während der Aufzeichnung seiner Beobachtungen. Bei meinem eigenen zeichnerischen Nachvollzug wird deutlich, wie streng Corot das Wahrgenommene ordnet, wie sein Auge Bezüge sucht und die Dinge vereinfacht, um der Bildanlage Festigkeit und Überschaubarkeit zu geben. Er fasst die Gegenstände der Landschaft unkörperlich als farbige Flecken auf und verbindet diese zu rhythmischen Folgen, denen das Auge entlang streift. Mit kräftigem Helldunkel und frischer Farbigkeit schildert er die Lichtstimmung und legt die Formen der Schatten fest. Im träge dahinfliessenden, braunen Strom der Nera spiegelt sich ein zartblauer Himmel und tritt im Schatten der Augustusbrücke als leuchtender Akzent hervor. Die Pinselspur belegt die Geschwindigkeit und Unmittelbarkeit der Studie.

Im September 1825 reist Corot mit seinem baltischen Malerkollegen J.K. Baers über Lyon und Lausanne nach Italien. Im Dezember erreicht er Rom. Nach drei Jahren, im Herbst 1828, kehrt er von seinem ersten Italienaufenthalt nach Paris zurück. In dieser Zeit entstanden rund 150 Studien, darunter 28 figürliche, alle von kleinem Format in Öl auf Holz, Leinwand, Karton oder Papier gemalt. Corots Vorbild ist im Landschaftstypus der Vedute zu suchen, die sich im 18. Jahrhundert von der Ansicht beliebter Ortschaften erweitert zur Schilderung pittoresker Naturschauplätze. Die Vedute, gemalt oder gezeichnet, strebt eine möglichst genaue Wiedergabe des Motivs an und möchte anders als das Capriccio – das reine Phantasiebild – die Unverkennbarkeit des Ortes und seine charakteristischen Züge festhalten.

Im ausgehenden 18. Jahrhundert, im Zuge der Aufklärung, erfreut sich die Landschaftsmalerei zunehmender Beliebtheit und mit dem einsetzenden Reise-bedürfnis der gehobenen, bürgerlichen Klasse steigt die Nachfrage nach Erinnerungsbildern bekannter Ansichten und malerischer Ausblicke. In seinen Berichten über die Salons schreibt Diderot, dass die Natur ein ebenso nach-ahmenswürdiges Modell sei wie der menschliche Körper, wobei er den Unterschied zwischen der im Freien gemalten Skizze und der im Atelier vollendeten Komposition hervorhebt. Für den reisenden Maler bilden die gesammelten Studien eine Grundlage für spätere Kompositionen, wo das Geschaute in historische oder pastorale Landschaften einfliessen kann.

Das klassische Landschaftsbild, ausgehend von Poussin, über Vernet bis Valenciennes bestimmt den Geschmack und die Ansichten des jungen Corots. Er hält sich an die herkömmliche Unterscheidung zwischen realistischer Studie nach der Natur und Atelierkompositionen in neoklassischer Tradition. Während seiner Ausbildung bei Achille Michallon und Jean-Victor Bertin lernt er die Regeln der historischen Landschaftsmalerei kennen, für die das reine Landschaftsbild ausschliesslich ein Mittel zum Zweck ist. Das von Valenciennes veröffentlichte Traktat – ein Brevier für Anfänger – empfiehlt die Studie nach der Natur als Übung und Vorbereitung für das heroische und pastorale Genre oder für die unter-geordnete Vedutenmalerei. Valenciennes gibt darin den interessanten Hinweis, die gleiche Ansicht zu verschiedenen Tageszeiten zu studieren, um die Wirkung des Lichts auf die Formen zu beobachten.

Corot hat diese Ratschläge während seines ersten Romaufenthalts gewissenhaft befolgt und seine Ansichten, rund um die Farnesischen Gärten und die anderen bekannten Schauplätze Roms, sind Studien des Lichts und der Atmosphäre in harmonischen Tonwerten, in der ihm eigenen pastosen Malerei. Durch seine körperhafte Malweise unterscheidet er sich von den neoklassischen Kameraden, deren Gemälde in feinen Lasuren aufgebaut sind und deren glatte Oberfläche keine sichtbaren Pinselspuren zeigen. Der bewegte Pinselstrich folgt bei Corot einer klaren kompositorischen Idee. Nur in diesem Zusammenhang ist für ihn die zeichnerische Durchdringung des Motivs von Bedeutung. Unter seiner fliessenden Handschrift verschmelzen die Körpermassen zu fein abgestuften Valeurs. Ausgewählte Flächen werden mit starken Akzenten aus Licht und Schatten gegliedert.

Mit seinen deutschen Kollegen teilt Corot die Liebe zur Natur und den kleinen Städten abseits der Hauptwege. Er skizziert in den wilden Tälern der Sabinerberge, an den Albanerseen und entlang dem Tiber flussaufwärts. In den Wintermonaten überträgt er im Atelier seine Studie der Brücke von Narni nach den Regeln des Neoklassizismus auf ein Gemälde, das für den Salon von 1827 bestimmt ist (Die Augustusbrücke von Narni, 1827). In einer Nachahmung des Stils von Claude Lorrain weicht die Frische des unmittelbaren Natureindrucks einer kunstvoll inszenierten Landschaft mit effektvoll beleuchteter figürlicher Staffage.

Frans Hals, 1581/85-1666
Die Kurtisane oder Zigeunerin, um 1626

Die Auslage ihrer reizenden Brüste, aus eng gebundenem Mieder quellend, wirken so verführerisch wie ihr absichtsvolles Lächeln. Wir wissen nicht, wem der auf-munternde Blick der jungen Frau gilt. Doch ist anzunehmen, dass die kecke Pose mehr als blosser Selbstzweck ist; kein unschuldiges Spiel mit weiblichen Reizen, um die eigenen Verführungskünste unter Beweis zu stellen. Solches ist spürbar, auch wenn der Bildtitel das Gegenteil behaupten würde.

Mit rotem Kleid und schwarzem Haar – so offen getragen, wie ihre körperlichen Vorzüge ohne Scham zur Schau gestellt sind – buhlt sie um die Aufmerksamkeit eines Freiers, spekuliert mit ihren Reizen. Frans Hals hat es ihr ins Gesicht geschrieben. Ein anständiges Mädchen kann sie nicht sein, weil auch ihre bäuerlichen Zeitgenossinnen Hauben tragen, ganz zu schweigen von der steifen Kleidung braver Bürgerstöchter, erzogen in kalvinistischer Moral.

Hals ist ein Bildnismaler, der das Augenblickliche zu erfassen sucht, die Porträ-tierten karikaturhaft überhöht und sie in vereinfachter Charakteristik treffsicher zeichnet. "Frans Hals ist in den Niederlanden der erste, der die Kunst der Vergegenwärtigung beherrscht" und sein lockerer, temperamentvoller Farbauftrag, die in einem einzigen Zug hingeworfene Erscheinung, ist ohne Parallele in der gleichzeitigen Malerei (E. Hubala, Die Kunst des 17. Jh. Propyläen, S.56). Hals vernachlässigt das Detail, das Räumliche tritt zurück und alle Konzentration richtet sich auf den Ausdruck. Seine kraftvolle Pinselführung mag äusserlich an den Impressionismus erinnern. Doch die Erscheinung sitzt auf einer festen Form und die Dargestellten werden als Charaktere aufgefasst. Bezeichnend ist, dass Hals im späten 19. Jahrhundert wiederentdeckt wurde. Man bewunderte die Virtuosität seiner scheinbar spontanen Malerei und in seinen späteren Werken die in vielen Grautönen gebrochene schwarze Grundfarbe.

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