Bilderreisen

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Paris - Galeries Nationales du Grand Palais

2002

Exposition “Constable – le choix de Lucian Freud“
Museumsreisen mit dem Skizzenbuch

"La Mer à Brighton", 1826 und "Pluie d'orage sur la mer, vers 1824/28

John Constable (1776-1837) hatte nie das Bedürfnis über die Grenzen von England hinauszukommen. Er blieb der Landschaft seiner Kindheit, Suffolk und Essex, ein Leben lang verbunden. Seine genaue Kenntnis dieser Gegenden, die später um Hampstead, Salisbury und Brighton erweitert wurden, gaben ihm die Sicherheit, sich über die herkömmlichen Vorstellungen von Kompositionsformen und über die herrschende Auffassung von Farbigkeit hinweg zu setzen.

"Coucher du soleil à l'automne", 1812

Häufig lassen seine grossformatigen Werke ein wiederkehrendes Kompositionsprinzip erkennen, das sich am klassischen Bildaufbau orientiert, diesen jedoch auf vielfältige Weise variiert und um die Unmittelbarkeit des frisch erlebten Natureindrucks bereichert. Aus der malerischen Umsetzung von Luft, Licht und Atmosphäre spricht die greifbare Gegenwärtigkeit der Natur, die man in den starren Formen der klassischen Landschaftsdarstellungen seiner Zeit in dieser Frische sonst nicht findet. Ganz anders als Turner verzichtet Constable auf das exotische und pastorale Motiv. Auch das Mythologische ist ihm fremd und so bevölkern seine Landschaften keine Heroen, sondern die arbeitenden Menschen mit ihren Last- und Zugtieren, ganz in die Realität ihres Alltags eingebunden. Mühlen und Schleusen, Lastkähne und Heuwagen vermitteln das Bild von ländlicher Idylle mit Spuren geschäftiger Betriebsamkeit.

"Vue de Salisbury, depuis la bibliothèque de l'archidiacre Fisher", 1829

In immer neuen Ansichten begegnet man mächtigen Bäumen, deren raumgreifende Bewegung von den Wolken des Himmels aufgenommen wird. Meist wird die eine Bildseite durch ein Gehölz, durch Bauwerke oder eine mächtige Baumgruppe begrenzt. Die Tiefe der Landschaft wird durch einen fliessenden Übergang vom Vordergrund zum Hintergrund effektvoll gesteigert und die Blickrichtung des Betrachters entlang verschiedener Kompositionslinien durch den ganzen Bildraum geführt. Greifbare Nähe und weite Entfernung berühren sich und so spricht uns der Bildraum als ein Gewebe dicht ineinander verwobener Raumzonen an.

"Péniches sur la Stour, à l’écluse de Flatford", um 1811

In einer Serie kleinformatiger Ölskizzen begegnet uns das Tal des Stour bei East Bergholt in Suffolk in wechselnden Ansichten und Lichtstimmungen. Die Skizzen der Schleusenszenen, der Flusstäler, der Gehöfte, Weiler und Dörfer nur mit summarischen Pinselstrichen hingeworfen, wurden zum Nährstoff für das Malen der offiziellen Bilder, die oftmals nur wenig von ihrer ursprünglichen Fassung abwichen. Im Laufe der Zeit wurden die im Freien angefertigten Ölskizzen immer grösser. Sie dienten Constable – oft erst Jahre später – im Atelier als Bildvorlagen für seine “Six-Footers“, der grossformatigen Gemälde, die er jeweils in der Royal Academy ausstellte. Viele seiner Zeitgenossen empfanden seine Malerei als unfertig und grob, die Farbe schien zu dick aufgetragen und die im Freien entstandenen Gemälde wurden nicht als vollwertige Arbeiten anerkannt, weil trotz ihrer topografischen Authentizität die Farb- und Lichtbehandlung ungewohnt war.

"Hampstead, en direction de Harrow", um 1822

Den französischen Malern wurde Constable durch die beiden Werke “Heuwagen“ und “Ansicht des Stour, in der Nähe von Beckham“ bekannt, die im Salon von 1824 dem Pariser Publikum gezeigt wurden. Delacroix und Géricault erkannten, welche bis dahin ungeahnte Möglichkeiten sich durch die Malerei des Engländers eröffneten. Die Auflösung einer Gegenstandsfarbe in verschiedene Mischfarben und in die Integration der Komplementärfarben des Grundtons wurden in der Folge von Delacroix noch weiter getrieben. Constables Vorbild beeinflusste auch die Maler der Schule von Barbizon nachhaltig. Sein Individualismus wurde von Corot aufgenommen und eröffnete der französischen Landschaftsmalerei, die in den engen Grenzen des Klassizismus wie gefangen war, ganz neue Dimensionen.

"Champs moissonné derrière West Lodge, coucher du soleil", 1812

Constables Bilder der letzten Jahre zeigen das Bedürfnis, den Malakt weiter zu emotionalisieren. Ausgehend von seiner Gewohnheit, für grosse Gemälde massstabgetreue Vorstudien anzufertigen, entstehen sehr frei gemalte, von wilden Pinselspuren zerwühlte Landschaften.

Die Zeichnungen, Studien und Bilder, die rund um Brighton entstanden sind, gehören zum Schönsten, was Constable an atmosphärischem Licht, an bewegtem Wasser und feuchter Luft gegeben hat. Das mondäne Strandleben wirkte anfänglich irritierend auf ihn und erscheint in keinem Bildmotiv. Die breiten Horizonte, das Schauspiel der vorüberjagenden Wolken, die leeren Strände mit den einzelnen Fischerbooten und der Spiegel des Wassers lassen den Betrachter die Liebe des Malers zur “Schönheit des Paradieses, in das wir gestellt sind“ neu empfinden.

"The Hay-Wain", 1821 (Der Heuwagen)

Sommerlandschaft mit bewegtem Wolkenhimmel, einer Gebäudegruppe am Flussufer und einem Pferdegespann, das einen Wagen durch die Untiefe zieht. Bewegtes Helldunkel auf dem Spiegel des Wassers, unruhiges Glänzen und schimmern von Lichtern im Laub, auf den Dachziegeln und über der Wiese. Auch in den Wolken, deren Bewegung die Richtung des Wagens kreuzt, begegnen sich die starken Kontraste von Licht und Schatten

Die linke Bildseite wird durch das Gebäude und dichtes Gehölz abgeschlossen, nach rechts öffnet sich die Landschaft auf eine Wiese und der Blick wird mit den Wolken in die Tiefe geleitet. Der Wagen bewegt sich vom Betrachter weg ins Bild hinein. Mit dem Schwung des Ufers folgt ihm das Auge, verweilt beim gefleckten Hund und dem Fuhrknecht und schweift weiter in die schattige Tiefe unter das Laubdach der mächtigen Bäume.

Eine Raumdiagonale verläuft entlang der Schattengrenze im Fluss von links nach rechts und endet am linken Bildrand mit der horizontalen Grenze zwischen Wald und Wiese in der Ferne. Gegenüber bildet die Gebäudegruppe einen Abschluss mit einem festen Volumen, dessen helles Weiss sich den dunklen Farben der Bäume widersetzt. Der gestaffelte Körper nimmt die perspektivische Flucht der Uferlinie auf und steht vor den verborgenen Schattenzonen, durch welche die Flussbiegung verdeckt wird.

Constables Komposition bietet dem Auge eine Fülle von Möglichkeiten das Bild zu erkunden, den Reichtum der Farberscheinungen zwischen Licht und Schatten zu beobachten und einzutauchen in ein intensives, sinnliches Raum- und Farberleb-nis. Der Farbauftrag ist fast durchgehend deckend und liegt sehr dicht auf. In der reichhaltigen und insgesamt recht hellen Palette mit ihrer auffallenden Differen-zierung im Grünbereich, spielen die Lokalfarben Rot, Weiss und Schwarz eine wichtige Rolle. Sie verdichten sich im Pferdegespann mit dem Fuhrknecht zu einem auffallenden Akzent. Die warmen Schattenklänge im Spiegel des Wassers und die kleinen, hellen Glanzlichter vermitteln das Gefühl, den Wind und die feuchte Atmosphäre ganz unmittelbar zu spüren. Die erzählerischen Elemente – der Hund, der sich dem Karren zuwendet, die Wäscherin am Ufer, der Angler oder die Menschen auf dem Feld – sind die Brücke zum Alltäglichen und Vertrauten, das erst durch die Augen des Malers seine eigene Schönheit offenbart.

"Vue de Beckham depuis les environs de Gun Hill", 1810/15

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