Bilderreisen

2017

CH

2014

2005/06

2004

2003

2002

Berlin

Hamburg

Köln

Frankfurt

München

Paris

Brügge

Wien

London

Paris - Musée d'Orsay

2002

Museumsreisen mit dem Skizzenbuch

Claude Monet, 1840-1926
Le Pavé de Chailly, Forêt de Fontainebleau, 1865

Zu dieser Zeit stand Monet noch ganz am Anfang seiner Entwicklung zum Impressionismus. Das Waldstück entstand im Zusammenhang mit einer Reihe von Figurenstudien, die das ehrgeizige Projekt eines monumentalen Frühstücks im Grünen vorbreiteten und dessen Studien vollständig im Freien gemalt werden sollten. Das geplante Grossformat war Monets Antwort auf das Atelierbild “déjeuner sur l’herbe“ von Eduard Manet, das im "Salon des Réfusée" 1863 zum Skandalbild avancierte. Anders als Manet vermied er den kunstgeschichtlichen Bezug und stellte das zeitgenössische Leben in den Vordergrund. Monets Werk blieb unvollendet, wurde teilweise zerstört und befindet sich heute in Form zweier Fragmente im Musée d’Orsay.
Auffallend an der Studie “Weg nach Chailly“ ist nicht allein der Grad an Vereinfachung, die Spontaneität und klare Zeichnung des erst am Anfang seiner Laufbahn stehenden jungen Malers. Die Fähigkeit, Beobachtungen von Licht und Atmosphäre unmittelbar in Farbe umzusetzen, kündet eine Entwicklung an, die rund zehn Jahre später unter dem Begriff Impressionismus das Publikum herausfordern und die Meinungen der Kunstkritik polarisieren sollte.

Der Komposition liegt eine starke Raumwirkung zu Grunde. Baumwipfel, Waldrand links und die Spuren des Weges legen eine perspektivische Raumachse fest, die den Blick in die Tiefe zur Bildmitte lenkt, wo die Senkrechten mehrerer Stämme den Sichtverlauf durch einen frontalen Waldsaum unterbricht, der von rechts eingeschoben wird. Dem Waldrand vorgesetzt und näher beim Vordergrund, formieren sich freistehende Bäume dicht hintereinander. Im abwechslungsreichem Spiel der Farben wird aus der Nähe die gefleckte Rinde der breiten Stämme sichtbar. Ihr senkrechter Wuchs verbindet die Bildränder. Schattenbahnen verlängern die Bilddiagonale, die von den abfallenden Baumwipfeln links über die Lichtung bis zur rechten Bildecke führt.
Die Farben schildern das Licht eines frühen Vormittags. Die Wiese glänzt und schimmert im feuchten Tau in kaltem Grün und Grau. Im Gegenlicht verliert das Laub der Bäume seine Eigenfarbe. Zarte, helle Klänge in kaltem und warmem Blaugrau beschreiben das von Licht durchflutete Waldinnere. Die bewegten Linien der Äste gehen in grauvioletter Dämmerung auf. Ein dunkles Gebüsch und die kräftigen Kontraste schlanker Stämme verdecken den Horizont und zeigen das Unterholz in wechselnden Farbakzenten.
Monets Beobachtung erfasst die atmosphärische Beleuchtung in ausgeprägten Erscheinungsfarben im Gegenlicht. Auf einen einzelnen Augenblick reduziert, notiert er seine Farbeindrücke so rasch und so genau wie nur möglich. Ent-sprechend frei und reduziert ist seine Pinselspur, die vereinfachend nur das Wesentliche im Bildausschnitt berücksichtigt.

Claude Monet
"Grosse mer à Étretat", um 1865

Claude Monet
Tempête, Côte de Belle-Ile, 1886

Blick auf die sturmgepeitschte Küste, in die Tiefe zur schäumenden Flut, die an den Klippen zerschellt. Aus dem Schaum ragen dunkle Felszähne im Farbspektrum erkalteter Lava: kaltes dunkles Rot, dunkles und aufgehelltes Blau, Braunrot, mattes, dunkles Grün, vereinzelt hell aufleuchtend. All diese Farben verbindet eine glänzende, nasse Schwärze. Der schmale Streifen düster-blauen Himmels begrenzt einen unscharfen Raum, in dem elementare Kräfte walten. In den dichten Schaumstreifen und den überbrechenden Kämmen mischen sich die weisslich getrübten Komplementärfarbpaare Rosa und Grün. Die Bewegungen des Pinsels folgen dem tanzenden Wasser in flüchtigen, schlingernden Spuren, nur hingetupft, wo der Schaum die hellsten Akzente erfordert.
Monet setzt an der Küste der Normandie die kleinteilige Farbauflösung fort, begleitet von einer Vereinfachung und Klärung des Motivs. Im Bestreben nach formaler Ausgewogenheit der Bildteile und Körpermassen, schiebt er den Horizont nahe an den oberen Bildrand und schafft sich damit eine ausgedehnte Bildfläche auf Kosten eines verkürzten Bildraums. Diese Neigung lässt sich in den Werken der folgenden Jahre häufig beobachten.

Edgar Degas, 1834 -1917
Le champ de courses, Jockeys amateurs près d’une voiture, 1876-78

Eine ausgeprägte Raumdiagonale führt den Blick vom rechten Vordergrund – über die Radspeichen, die Pferdeläufe, den gedehnten Körper des Reiters – in den Hintergrund, den ein hoch gelegener, gestreckter Horizont abschliesst. Wie mit einer Klammer verbindet die gelbe Farbe das Nahe und Ferne und umfasst mit kühner Bewegung Wagenräder und Jockey, Zuschauer und Reiter mit der selben Geste. Die Blickrichtungen der Hauptpersonen begleiten die Horizontale oder führen in steilem Winkel in den Bildraum hinein. Auf Augenhöhe mit dem Betrachter bewegen sich drei Reiter nach rechts, ein vierter wendet sich mit einer Drehung des Körpers dem Betrachter und gleichzeitig der weiblichen Person zu. Im Hintergrund begrenzt eine Ansammlung dunkel gekleideter Zuschauer das Gelände. Ein schmaler, heller Streifen auf dem dunklen Terrain unterstreicht die Horizontale.
Die Farben sind leuchtend und frisch, die Zeichnung lebendig und von kräftigen Konturen begleitet. Degas schildert die Poesie des modernen Lebens wie es Charles Baudelaire dreissig Jahre früher in seiner Vision formulierte: “Das Leben unserer Stadt ist reich an poetischen und zauberhaften Themen. Der Maler, der wahre Maler, auf den wir warten, wird der sein, der die epische Qualität des Lebens von heute erfasst und uns mit Pinsel oder Bleistift dazu bringt, zu sehen und zu verstehen, wie gross und poetisch wir sind, [...]“.
In volltönender, kühner Farbigkeit hebt sich die Kleidung der schlanken Jockeys vom gebrochenen Grün der Rasenfläche ab und unterstützt das kontrastreiche Helldunkel der Komposition, mit dem Degas die Grundidee der Bildanlage – den Gegensatz von Ruhe und Bewegung – ausdrückt. Mit seinen für die Zeit völlig neuartigen Kompositionsformen orientiert sich Degas an der fotografischen Momentaufnahme, deren scheinbare Zufälligkeit und Spontaneität er in seine Bilder und Bildentwürfe aufnimmt.

Back to Top