Bilderreisen

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München - Neue Pinakothek

2002

Museumsreisen mit dem Skizzenbuch

J. M. William Turner, 1775-1851
Ostende, 1844

In Turners aufwühlender Geste drückt sich der dramatische Moment eines beklemmenden Naturschauspiels aus. Das Licht des Himmels, ausgegossen über die aufgerissenen Wolken, die schäumenden Wellen mit ihrer stiebenden Gischt, scheint zu explodieren. Und gleichzeitig sind die losen Bildelemente in eine strenge Komposition eingefügt durch ihre Farbe, der sich alles unterwirft. Ihre schneidende, weisse Helligkeit wird zu reinem Licht und bleibt dennoch an die Materialität der Farbe gebunden. Die stete Verwandlung von Materie zu Licht, die dem Auge des Betrachters abgefordert wird, machen Turners Bilder so unglaublich lebendig. Dünne Lasuren über der satt gespachtelten Farbe lassen das Ringen um einen differenzierten Ausdruck erahnen. Turners Malweise veranschaulicht die Suche nach einem Gleichgewicht zwischen Spontaneität, Heftigkeit und Selbstkontrolle.

Adolph Menzel, 1815-1905
Blick vom Balkon des Berliner Schlosses, 1863

Menzels Aussicht vom Balkon wird von der rückseitigen Ansicht an ein Stück schweres Fassadendekor begrenzt. Der Blick streift an einer Säule vorbei in die unbestimmte Tiefe des von Wolken getrübten Himmels. Die Aussicht schliesst die steinernen Zierelemente mit ein, ohne Preis zu geben, was der Fassadenschmuck von vorne darstellen könnte. Mit der Aussicht durch das rahmende Innere auf den davor liegenden Aussenraum, schildert die kleinformatige Ölskizze unspektakuläre Wirklichkeit und die ihr innewohnende Schönheit. Eine Ästhetik, die sich nur jenen erschliesst, welche die Stille des Alltäglichen beobachtend durchdringen. Ein kleiner Vogel sitzt auf dem eisernen Balkongeländer. Hart und messerscharf trennt der Vordergrund die Sicht auf die weitere Umgebung ab. Schon vor Degas ist Menzel hinsichtlich Bildausschnitt und Komposition von überraschender Modernität.

Georg Friedrich Kersting, 1785-1847
Junge Frau beim Schein einer Lampe nähend, 1825

Eines der schönsten Interieurbilder von Kersting! Es zeigt eine weibliche Person in Verbindung mit dem warmen Licht einer eleganten Argand-Lampe in einem geschlossenen Innenraum. Wie kaum ein anderer Maler seiner Zeit verbindet Kersting Licht und zugehörige Schatten in ausgeglichenen Kompositionen zu bildübergreifenden Formen. Im Zentrum steht ein Mensch im Zwiegespräch mit seinen Gedanken. Dem inneren Dialog ist seine Verbundenheit mit dem Licht gegenübergestellt. Die Abgeschlossenheit des Raums mit den umhüllenden Formen von Licht und Schatten vermittelt den Eindruck von Schutz und häuslicher Geborgenheit. Unter dem Schein der Lampe ist die junge Frau ihrer kontemplativen Beschäftigung hingegeben. Zugleich entfalten die bizarren Formgestalten, die sich als Schatten im Zimmer über Mobiliar, Wände und Fussboden ausbreiten ein beunruhigendes Eigenleben. Sie künden von der Wahrnehmung einer äusseren Welt in Unruhe – vor der dieser geschlossene Raum zwar schützt – die sich jedoch in ihrer Bedrohlichkeit weder aussperren noch ganz verdrängen lässt.
Die männlichen Protagonisten in Kerstings Interieurbildern (Sammlung Oskar Reinhardt, Winterthur) sind als Lesende mehr dem Geistigen zugewandt, die weiblichen Figuren dagegen mit häuslicher Handarbeit, mit Nähen oder Sticken auf ihre inneren Gedanken und Gefühle konzentriert.

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